15.05.2023
Der Building-Award bewertet und prämiert herausragende, besonders bemerkenswerte und innovative Ingenieurleistungen am Bau. Die Wildtierbrücke Rynetel ist für den Award nominiert. Das ist ein starkes Zeichen dafür, dass künftig Infrastrukturbauprojekte vermehrt in Holzbauweise realisiert werden.
Am 15. Juni 2023 wird im Kultur- und Kongresszentrum Luzern zum fünften Mal der Building-Award verliehen. Bewertet und prämiert werden herausragende, besonders bemerkenswerte und innovative Ingenieurleistungen am Bau. Die besten Akteure werden an der Awardverleihung in einem würdigen Rahmen ausgezeichnet. Dass die diversen Ingenieursgattungen die Bauwerke bezüglich Statik, Technik und Formgebung massgeblich prägen und beeinflussen, wird oft zu wenig erkannt und anerkannt. Der Building-Award soll den Ingenieurberufen am Bau die verdiente Aufmerksamkeit verschaffen und die Berufe für den Nachwuchs bekannter und attraktiver machen.
Die nominierten Personen und Projekte finden Sie hier. Eines davon ist die schweizweit erste Wildtierbrücke aus Holz.
Wenn Tiere bei Suhr die Autobahn A1 überqueren, merken sie nicht, dass sie über die schweizweit erste Wildtierbrücke mit einer Holzüberdeckung gehen. Für sie ist wichtig, dass ihre Gebiete jenseits der Autobahn wieder erschlossen sind. Weil Verkehrswege die Lebensräume der wildlebenden Tiere durchtrennen, legt das Bundesamt für Umwelt Wildtierkorridore von überregionaler Bedeutung fest, die mit entsprechenden Bauwerken wiederhergestellt werden. Zwischen Gränichen und Suhr ermöglicht die 50 Meter breite Holzkonstruktion den Wildtieren das sichere Überqueren der Autobahn.
Bereits 1998 zeigte ein Grundlagenbericht am Beispiel der Chüsirainbrücke in Luzern auf, dass Holz als einheimischer Rohstoff eine kostengünstige und ökologische Alternative für Grünbrücken ist. Über zwanzig Jahre später überquert die Wildtierbrücke Rynetel mit der Holzüberdeckung die Autobahn A1. Die Bauherrschaft und das Planungsteam stellten in der Vorprojektphase die Ausführungen in Beton und Holz einander gegenüber. Nebst der Wirtschaftlichkeit sollte die Konstruktion wartungsarm und beständig sein und 100 Jahre lang halten. Ein späterer Ausbau der Autobahn von vier auf sechs Spuren war zu berücksichtigen und der Verkehr auf der Autobahn musste während der Bauzeit jederzeit weiterrollen können. Im Vergleich schnitt die Holzüberdeckung besser ab, das Licht für die schweizweit erste Wildtierbrücke mit Holzüberdeckung stand somit auf grün.
Konstruktion
Das Planungsteam ordnete das Tragwerk der Wildtierbrücke höher an als es aufgrund des Lichtraumprofils für die Strassennutzung nötig gewesen wäre. Das minimiert die Erdauflasten auf das Bauwerk. Im Scheitelbereich überdecken 70 Zentimeter Erdreich und Sickerkies die Konstruktion, bei den Aussenmauern sind es rund vier Meter. So entstand eine nahezu ebene Nutzfläche für die Wildtiere. Die beiden Portale sind geneigt ausgebildet und werden mit Böschungen abgeschlossen.
Zusammenspiel der Materialien
Die 156 Bogenträger aus Brettschichtholz mit einem Querschnitt von 240 x 760 Millimeter und die Betonwände spielen zusammen: seitliche Kräfte auf die Betonwände werden durch die Holz-Bogenkonstruktion aufgenommen. Die Bogenbinder wiederum stützen sich horizontal wie vertikal auf die Betonwände ab. Stahlgelenke verbinden die Holzbinder mit den 80 Zentimeter dicken Ortbetonwänden. Die stützenden Eigenschaften des Erdreiches wurden mit Federauflagern und mit berechneten Federkonstanten modelliert.
Einwirkung von Wasser
Durch übermässigen Feuchteeintrag, verbunden mit einem schlechten Austrocknungsverhalten, kann Holz bereits nach kurzer Zeit durch Fäulnis oder Insekten befallen werden. Mehrlagige Abdichtungen und eine Drainageschicht schützen die Holzüberdeckung vor Sickerwasser. Oberflächenwasser aus Sprühnebel der Fahrzeuge muss möglichst ungehindert und rasch abfliessen. Dazu ist zwischen den Betonuntergründen und den Holzbauteilen ein ausreichend grosser Abstand ausgebildet. So sind die Auflagerbereiche gut luftumspült und können austrocknen. Eine austauschbare und hinterlüftete Holzverkleidung bei der Portalverkleidung schützt die darunterliegende Konstruktion vor Witterungseinflüssen und Fahrzeug-Gischt.
Feuchtemonitoring
Die Berner Fachhochschule analysierte im Rahmen eines vom Bundesamt für Umwelt finanzierten Forschungsprojektes die Klimabedingungen und Holzfeuchte bei Wildtierüberführungen. Es zeigt sich, dass die Holzquerschnitte nach Feuchteeintrag jeweils gut austrocknen können und somit dauerhaft sind.
Einwirkung von Tausalzen
Für eine sichere Fahrt auf Autobahnen wird bei kalten Temperaturen Frosttausalz eingesetzt. Der Einsatz von Tausalzen verstärkt die Schädigungsvorgänge bei Stahl und Betonbauteilen. Für statisch beanspruchte Bauteile wie die Lagergelenke mit langer Lebensdauer wurden nicht rostende Stähle der Korrosionsbeständigkeitsklasse IV eingesetzt. Holz wird durch die Salze nicht angegriffen.
Holz als CO₂-Speicher
Die 850 Kubikmeter Bauholz für die Überdeckung der Wildtierbrücke wuchsen im Schweizer Wald in dreieinhalb Stunden nach. In dieser Zeit entzog es der Umwelt mit der Fotosynthese 775 Tonnen CO₂. Die Ausführung der Überdeckung in Beton hätte einen CO₂-Ausstoss von 520 Tonnen CO₂ verursacht. Nach Abzug der Emissionen für die Produktion des Brettschichtholzes und der Stahlgelenke bleibt ein Delta zwischen der Holz- und der Beton-Variante von 1‘085 Tonnen CO₂.
Bauwerk mit Signalwirkung
Der Ständerat und der Nationalrat haben die Motion «Erforschung und Innovation des Werkstoffs Holz für den Einsatz im Infrastrukturbau als Dekarbonisierungs-Beitrag» angenommen. Stahlbeton soll im Infrastrukturbau möglichst durch CO₂-speichernde Materialien ergänzt oder ersetzt werden. Bauwerke wie die Brücke Rynetel können dabei Signalwirkung haben. Für die Montage der Träger wurden während 15 Nächten jeweils von 21 Uhr bis 5 Uhr morgens zwei Fahrstreifen gesperrt. Dank der Vorfertigung der Holzträger konnte die Brücke rekordschnell erstellt werden und der Verkehr jederzeit weiterrollen.
Facts and Figures
Beteiligte